SOCIAL LISTENING 2019 & BEYOND – Qualität statt Quantität

SOCIAL LISTENING 2019 & BEYOND – Qualität statt Quantität

SOCIAL LISTENING 2019 & BEYOND – Qualität statt Quantität 5184 3456 Caspar Spinnen

Die Ankündigungen der diesjährigen Facebook Konferenz F8 zeigen es erneut: User sorgen sich um die Sicherheit ihrer digitalen Privatsphäre und das Interesse an Datenschutz und Datenprivatisierung steigt seit den Datenskandalen der letzten Jahre stetig. Auch die offizielle Gesetzgebung macht Ernst und will das Internet nicht mehr so auf die leichte Schulter nehmen wie zuvor, so gibt es mit der DSGVO seit letztem Jahr eine Gesetzgebung mit klarer und verschärfter Regelungen zur Verwendung nutzerbezogener Daten durch Drittanbieter.

Mit der Zunahme von Datenprivatisierung und Datenschutzmaßnahmen ist für das Social Monitoring und Listening ein neues Zeitalter angebrochen. Das Ausmaß an öffentlichen Daten, auf die frei zugegriffen werden kann, ist über die Jahre weniger geworden. Konnte man z. B. vor Jahren noch Keyword basierte Daten über Facebooks offizielle Schnittstelle bekommen, sind heute selbst öffentliche Daten nur eingeschränkt verfügbar. Unternehmen müssen sich strategischer mit der Erhebung von Nutzerdaten auseinandersetzen, denn von der Vision einer vollumfänglichen Datenverfügbarkeit von Nutzer-Konversationen zu relevanten Themen, Unternehmen und Personen sollten wir uns in 2019 längst verabschiedet haben.

Das Stichwort hier ist die Strategie. Denn wer geschickt vorgeht, ist auf pure Quantität nicht mehr angewiesen. Hier ein paar Unternehmen, und zwar öffentliche wie private gleichermaßen, die 2019 mithilfe von Social Listening und Monitoring ganz besondere Erfolgsgeschichten geschrieben haben.

NASA – gezielt mitreden

Durch Analyse von trendenden Themen steigt die amerikanische Raumfahrtorganisation in digitale Konversationen ein und spricht dort neue Zielgruppen an.

Für viele unerwartet: Einer der erfolgreichsten Tweets dieses Jahres stammt nicht etwa von Apple oder Donald Trump, sondern von der NASA. In besagtem Tweet reagiert die US-amerikanische Raumfahrtbehörde auf einen Trailer des 2019 angelaufenen Kinofilms Avengers: Endgame. Tony Stark, einer der Protagonisten der populären Superheldenfilme aus dem Hause Marvel scheint im Trailer nämlich im Weltall gestrandet zu sein. Seinem Raumschiff fehlen Treib- und Sauerstoff, schwerelos treibt der als Iron Man bekannte Superheld einem tragischen Ende entgegen.

Das konnte die NASA so nicht stehen lassen, schließlich sei man nicht umsonst eine der größten und erfolgreichsten Raumfahrtorganisationen auf der Welt. In ihrem Tweet an @Marvel und @Avengers stellte die NASA ein Notfallprogramm mit nützlichen Tipps und Überlegungen zur Rettung des im All verschollenen Helden zusammen, komplett mit einer Aufnahme aus einem Bodenkontrollzentrum der NASA, in dem unterschiedliche Easter Eggs zu Avengers versteckt sind.

Der Tweet explodiert förmlich. Tausende User reagierten auf die Konversation und bekundeten ihre Anteilnahme an Starks Schicksal.

Sich gezielt in digitale Konversationen einklinken – sowas macht die NASA nicht zum ersten Mal. Die Social Media Abteilung der US-amerikanischen Raumfahrtorganisation gründet ihr digitales Marketing Konzept auf der Erkenntnis, dass es bei der NASA für jeden etwas Neues und Ungewöhnliches zu entdecken gibt.

Zunächst einmal kann man auf eine Vielzahl außergewöhnlicher und bunter Bilder aus dem Weltall zurückgreifen, eine super Grundlage für einen gut funktionierenden Instagram Account. Darüber hinaus finden sich in den Archiven der NASA die ungewöhnlichsten Kuriositäten aus dem Weltraum und technische Innovationen, die sich sehen lassen.

Dass es für so etwas eine Zielgruppe gibt, davon kann man ausgehen. Es stellt sich bloß die Frage, wie man sie anspricht. Die NASA ist ein staatliches Unternehmen und daher auf organisches Onlinemarketing angewiesen. Das bedeutet, dass es der Behörde untersagt ist, mit dem Geld der Steuerzahler für gesponserte Posts zu bezahlen oder auf anderem Wege künstlich seine Reichweiten zu erhöhen.

Stattdessen hat man angefangen zu ermitteln, welche Zielgruppen es für den Content der NASA gibt. Durch Hashtaganalysen zum Beispiel lässt sich ermitteln, bei welchen Themen Fans von Raumfahrt und Weltall gerne mitreden. Und sobald man davon eine grobe Idee entwickelt hat, überlegt sich das Social Media Team, wie man in bestehende Konversationen dieser Zielgruppe einsteigen könnte.

So kommt es zum Beispiel, dass die NASA zum neuen Sharknado Film twittert, die nachhaltigen Wasserfilter, die sie für ihre Weltraumoperationen verwendet, verkaufen sich inzwischen auch auf der Erde ganz gut.

Dass es von der NASA dann auch einen witzigen Tweet zu Avengers: Endgame, dem größten Sci-Fi Event 2019, gibt, sollte an dieser Stelle also wirklich kein Wunder mehr sein.

Samsung – mehr verkaufen mit Visual Analytics

Durch digitale Bildanalyse konnte Samsung sich ein Bild davon machen, was Fernsehgucken für Kunden heute bedeutet und präsentiert seine Geräte jetzt im Wohnzimmerambiente.

Wer kennt das nicht: Man will einen neuen Fernseher kaufen, aber so wirklich wird man mit keinem der Geräte, dass man sich im Internet oder in Prospekten anschaut, warm.

Das hat auch seine Gründe, Fernseher sind schließlich keine Dekorationsgegenstände. Außer vielleicht für einige wenige unter uns. Aber in der Regel guckt man sich die Bildschirme im eingeschalteten Zustand an, wegen dem was darauf läuft natürlich. Und zwar nicht vor einem sterilen weißen Hintergrund, sondern im Wohnzimmer.

Auf den Werbeträgern zu Bildgeräten sieht man in der Regel allerdings eher das Gegenteil. Zwar wird in der Textbeschreibung ausführlich darauf hingewiesen, dass der beworbene Fernseher noch mehr Zollbreite und eine bessere Auflösung als das Vorgängermodell hat, und sich im Wohnzimmer richtig gut macht. Davon sieht man dann allerdings leider wenig, denn im nebenstehenden Bild ist das Gerät ausgeschaltet und steht vor einer weißen Wand.

Anders bei Samsung. Die Instagram Galerie des Technologieunternehmens zeigt die Geräte jetzt neuerdings, nämlich auch in ihrem “natürlichen Lebensraum“. Also angeschaltet, im Wohnzimmer und mit Leuten davor.

Diese Leute gucken übrigens sehr häufig Fußball oder Game of Thrones. Auch das ist interessant, denn eigentlich kann man die hohe Auflösung seines neuen Gerätes doch am besten anhand eines aufwendig gemachten Science Fiction Films mit komplizierten Spezialeffekten demonstrieren.

Mag sein, allerdings ist die Auflösung auch gar nicht so wichtig. Beim Fernsehschauen überwiegt heutzutage der soziale Faktor. Es geht mehr darum, etwas zusammen zu schauen, beim Kauf eines neuen Gerätes ist es wichtig eine Idee davon zu entwickeln, wie das sich anfühlen könnte.

Von selber ist Samsung da natürlich auch nicht drauf gekommen. Mithilfe von Bildanalyse startete das Technikunternehmen eine weiträumige Untersuchung auf Facebook und Instagram um herauszufinden, wie ihre Produkte im Internet dargestellt werden.

Die Ergebnisse waren verblüffend: jedes zweite Bild zeigte eine Wohnzimmer-Situation, auf den Bildern lief überwiegend Fußball und Game of Thrones. Samsung hat dann eins und eins zusammengezählt und präsentiert seinen Kunden die neuesten Fernseher inzwischen so, wie diese sie dann auch benutzen werden und wollen.

Airbnb – von Social Listening to Social Travel

Wie verreist man im 21. Jahrhundert? Dieser Frage hat sich Airbnb durch Analyse von online Suchanfragen genähert und bietet jetzt Ecotravel in ehemalige Krisengebiete an.

Wer durch die gefeatureten Angebote bei Airbnb blättert, kann sich seit neuestem auf eine Überraschung gefasst machen. Traditionell ist die Tourismusindustrie immer eine Industrie gewesen, die sich um das Verhältnis von Kosten und Nutzen sorgt. Der Kunde will sich im Ausland richtig gut erholen, dabei viel Schönes und Besonderes sehen, und zwar am liebsten zum kleinstmöglichen Preis.

Da mag es dann etwas seltsam erscheinen, wenn einem Airbnb aufs Geratewohl mal einen Trip in eine ehemalige Krisenregion anbietet, die sich gerade von einer größeren Naturkatastrophe erholt. Die Reisemöglichkeiten orientieren sich dann auch nicht am Preis, das Ganze ist viel teurer, als man es von einem Urlaubsangebot zu einer Location zweiter Wahl erwarten würde.

Wieso? Was soll das Airbnb, so geht doch Tourismus nicht. Anscheinend tut er das aber schon. In Kooperation mit Pinterest hat Airbnb herausgefunden, dass Suchanfragen nach “Nachhaltigem Reisen“ drastisch in die Höhe gegangen sind. Viele Leute wollen ihren ökologischen Fußabdruck reduzieren und interessieren sich für umweltfreundliche Reisealternativen.

Außerdem haben es viele satt mit den Ausbeutungsstrategien, die der Tourismus häufig mit sich bringt. Auf Kosten der einheimischen Infrastruktur die schönsten Palmen zu den billigsten Preisen genießen, dass will eigentlich keiner mehr. Und ganz ehrlich: Authentisch ist das sowieso nicht.

Hier greift Airbnb an: Um über die Untervermietungsplattform Leute ins Land zu locken, bedarf es, nämlich keiner etablierten Tourismusindustrie. Wer bereit ist, sich für ein paar Tage in die Wohnung von fremden Leuten einzuquartieren, der kann in der Regel auch sonst gut für sich selber sorgen und hat kein Interesse an vorgefertigtem Touristenprogramm.

Stattdessen nutzt man die Gelegenheit geschickt, um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Denn mit dem neuartigen Angebot ist nicht nur den Kunden geholfen. Tourismus, ob er jetzt nachhaltig ist oder nicht, bringt nämlich immer Geld ins Land und gerade das können die Ziele, die Airbnb anbietet, besonders gut gebrauchen.

Eine Win-Win Situation im großen Stil!

Von Full Social zu Smart Social

Von vielen Experten wurde Social Listening und Monitoring der Untergang an den immer strenger werdenden Datenschutzverordnungen prophezeit, doch das Gegenteil ist eingetreten. NASA, Samsung, Airbnb – das sind nur einige Beispiele unter vielen. All diese Unternehmen sind 2019 mit Kampagnen durchgestartet, die nicht einfach nur Produkte bewerben, sondern gezielt auf Wünsche und Vorstellungen alter und neuer Kunden gleichermaßen eingehen. Die Dualität von Angebot und Nachfrage kann eben auch in der digitalisierten Wirtschaft nicht einfach ausgeklammert werden, das hat man erkannt. Dazu hat man im Internet zugehört und die Nutzer haben ausgiebig und viel gesprochen.